05. August 2011, Lomé
Unser großes Highlight des Monats, zum Ende des Juli, war auch eine bedeutende Wegmarke im Verlauf unseres gesamten Freiwilligendienstes: Unsere Reise nach Ghana. Geplant war der Grenzübergang am vorletzten Samstag des Monats in Lomé hinüber zur ghanaischen Grenzstadt Aflao, anschließend Fahrt nach Accra, die Hauptstadt Ghanas. Von dort aus würden wir die weiteste Direktstrecke unserer Reise auf uns nehmen: 12 Stunden einfach nur in den Norden mit leichter West-Krümmung, bis in die District-Hauptstadt Wa. Aus Wa würde es innerhalb einiger Minuten nach Kaleo gehen, wo wir dann einige Tage bei unseren Sfd-Kumpels Christopher und Hans verbringen würden um dort unter anderem auch fünf Bildungsersatztage abzuleisten. Dann sollte es in den Mole Nationalpark etwas weiter im Landesinneren gehen und anschließend der Weg über die Grenze nach Togo auf unbekannten Wegen gesucht werden. Dort würden wir Serges Cousin Virgil in Dapaong besuchen, mit dem er in seiner Kindheit wie ein Bruder zusammengelebt hat, und anschließend über die großen Städte Kara, Sokodé und Atakpamé bis nach Anoum, unser altes Dorf fahren, wo wir eine Nacht bleiben und anschließend nach Lomé starten würden. La Boucle sera bouclée!
Ganze Geschichte gestaltete sich beinahe so, wie hier im Plan beschrieben.
Wir startete n etwas später, da Merle sich am Samstag nicht gut fühlte, am Sonntag ging es also los. Die Fahrt nach Accra verlief recht reibungslos, und auch sonst hätte es keine Probleme mit der Reise gegeben, wenn wir gewusst hätten, dass man Bustickets für lange und mittellange Fahrten in Ghana schon eine geraume Zeit vor der Abfahrt kaufen muss. So war unser 22-Uhr-Bus schon ausverkauft und wir mussten den 19-Uhr-bus nehmen, was für die Ankunftszeit in Wa bedeutete, dass sie vermutlich von Ulli und Hans nicht eingehalten werden konnte und wir warten müssten. Zudem verpassten wir die Gelegenheit, uns Accra richtig anzusehen. Wir fuhren zwar durch und waren beeindruckt (nur diejenigen, die munter waren, waren beeindruckt 😉 ), wie sauber, strukturiert und entwickelt Ghanas Hauptstadt ist, doch unseren Plan, eine Art „Stadt-Tour“ zu machen, konnten wir nicht in die Tat umsetzen.
Die Busfahrt verlief einigermaßen problemlos, nur unsere Zustände änderten sich. Wir wurden nicht etwa gasförmig, aber während es Merle immer besser ging, wurde mir schlecht und der Magen rumorte. Als wir in Wa ankamen, hatten wir unsere Krankheit getauscht und ich fühlte mich schlecht.
Wie ein Wunder wirkte, dass Christopher und Hans dann doch sofort vor Ort und Stelle waren und ich nicht einmal mehr mein Vorhaben vollenden konnte. Dennoch ging es mir gleich besser, als ich die beiden sah. Nach einer Stunde in Wa, die wir unterschiedlich mit Laufen, Einkaufen und dem Erkunden der öffentlichen Sanitäreinrichtungen verbrachten, fuhren wir mit einem Trotro nach Kaleo, die Einsatzstelle Hans’ und Ullis. Christopher bemühte sich, mich bei Laune zu halten und erzählte mir so allerhand über geile, Verzeihung „Goil“-Tankstellen und Kaleo, ich war eher bemüht, so schnell wie möglich in eine liegende Position zu kommen. Nach zehn Minuten Marsch gelang mir das dann auch in Ullis Zimmer.
Diesen Tag verbrachten Merle, Serge, Christopher und Hans vorrangig mit Quatschen und ein wenig Schlaf, während ich flachlag und versuchte, mein gekommenes und schlagartig angestiegenes Fieber zu senken. Dabei kümmerten sich vor allem die Hausherren sehr angenehm um mich.
Am nächsten Tag sah die Welt schon anders aus, ich konnte mich erheben und es ging mir besser. Somit waren wir bereit für einen Schulrundgang, fachmännisch begleitet von Christopher, während Hans Prüfungsaufsicht hatte, und so lernten wir auch die Gegebenheiten auf dem Campus der Kaleo Senior High Technical School und den Direktor kennen, Ulli setzte uns in Bild.
Wir kümmerten uns auch gleich um die Planung unserer kleinen Arbeitseinheiten hier in Kaleo, was am besten im gleichen Bereich zu tun war, in dem auch unsere beiden Freunde das ganze Jahr gearbeitet hatten.
In diesen fünf Tagen tippten wir Prüfungen, waren an den Aufsichten beteiligt, ordneten Daten und korrigierten mit Ulli und Hans Prüfungen. Das Ganze war recht interessant und auch hin und wieder amüsant, vor allem angesichts des Bewertungssystems der beiden und dessen Auswirkungen.
Insgesamt war unsere Zeit in Kaleo schön und interessant, wir waren auf dem Markt, lernten verschiedene Drinking Spots und generell das Dorf kennen und konnten auch einen umfassenden Eindruck von der Behausung der beiden gewinnen: Ulli und Hans leben mit Jason, einem amerikanischen Peace-Corps-Freiwilligen zusammen in einem recht großzügigen Haus mit fließendem (Grund-)Wasser und Strom. Die Küche ist recht ordentlich eingerichtet, die größte Überraschung war sicherlich der Sandwichmaker, der uns da entgegenblitzte. Auf jeden Fall gibt es einiges an Unterschieden zwischen unserem togolesischen Heim und dem der beiden anderen Sfdler.
Am sechsten Tag machten wir uns nachmittags nach dem Stuff meeting Christophers und Hans‘ auf nach Wa, zurück in die „Hauptstadt Ghanas der Muslime“. Hier hofften wir, bei einem Freund unserer beiden Kumpels für die Nacht unterkommen zu können, da wir am nächsten Tag nach Larabanga in der Nähe des National Parks fahren wollten.
Der erste Weg war der zum Immigration Office. Dort kamen wir geradeso noch rechtzeitig an, die Uniformierten schlossen schon beinah die Pforten. Auf dem Absatz vor dem Büro trafen wir dann auch Mr. Michael, der stolz seine Dreisterneuniform trug und auch sonst einen von sich überzeugten Eindruck machte. Auf mich wirkte er äußerlich allerdings eher wie eine Maus. Naja, der erste Eindruck. Wir schilderten ihm unser Problem und fragten ihn, ob man das Visum nicht unkompliziert um einen Tag verlängern könnte. Christopher und Hans hatten da einen ganz interessanten Trumpf in der Hand, der zu wirken schien. Allerdings redete er erstmal eine Weile davon, dass nicht viel zu machen sei und wir eigentlich das Visum für einen weiteren Monat bezahlen müssten, wenn wir verlängern wollten, und dass das Erreichen der Grenze am Freitag bei unserem Programm im Grunde nicht möglich sei. Immerhin erfuhren wir von ihm und seinem Mitarbeiter, dass unser Visum tatsächlich bis zum Freitag gilt, der Einreisetag zählt nicht. Viel raus kam bei seinen Erklärungen meiner Ansicht nach nicht, er ließ uns danach in seinem Büro Platz nehmen. Er schaute sich unsere Pässe an und dann sollten wir ihm unsere Reiseroute erklären und den Ort nennen, an dem wir die Grenze überqueren wollten. Kongo, die Grenzstadt nahe Dapaong war, wie Mr. Michael uns darlegte, gegenwärtig nicht geöffnet. Nur eine Grenze ganz im Norden, weit von unserem Ziel ab, und eine ein ganz Stück weiter südlich waren offen. Wir entschieden uns für die südliche Grenze, die warn unserem Zielort Dapaong näher. Dabei stellte sich allerdings eine Frage: Wie sollten wir dorthin gelangen? Nicht nur, dass die Straßen dorthin schon auf der Karte kreuz und quer, krumm und ungerichtet aussahen, nein, dann hieß der Ort auch noch so verflixt uruguyanisch! Oder jedenfalls irgendwas mit Ugugu! Man sollte sich hier nicht über uns ahnungslose Europäer lustig machen, denn, festhalten, was die Ghanaer mit ihren eigenen Städten namenstechnisch veranstalten, kommt audiovisuellen Misshandlungen gleich: Zurück im Büro Mr. Michaels, baten wir ihn, uns den Namen der Grenzstadt aufzuschreiben.
„Sir, could you please write down the correct name of Bunkpurugu for us, so that we can find it when it’s necessary?”
“Sure”, sagte Mr. Michael, “How do you call it?” Er wendet sich an seinen Untergebenen: “What town? Buk…-?“
Der Untergebene: „Burpru…wait. Bukurrugu.“
Na klar.
Wir mussten ziemlich heftig lachen, die Ghanaer wussten selbst nicht, wie diese Grenzstadt heißt! Auf dem Zettel den wir dann bekamen, stand dann das Unglaubliche: Bumprugu. Logisch, Bumm prugu, da knallt’s ordentlich. Wir mussten an uns halten, die Sympathie des Offiziers nicht durch total unkontrolliertes Gelächter zu gefährden.
Um es aufzuklären: Die Stadt heißt Bunkpurugu, wird aber von allen Bunkprugu ausgesprochen, mit einem Schnalzen beim „kp“. Klar?
Mr. Michael schien uns keine Gratis-Visumsverlängerung für einen Tag geben zu wollen, weswegen wir uns mit seinem Versprechen begnügten, uns telefonisch helfend zur Verfügung zu stehen, sollten wir an der Grenze Probleme bekommen. Mit eher gemischten Gefühlen gingen wir zurück zum Internetcafé.
Hier war es Zeit, unseren Gastgeber für die kommende Nacht mal ein kleines bisschen besser kennenzulernen und ein wenig mit ihm zu quatschen. Darüber hinaus waren wir aber auch ziemlich „chaud“, mal wieder ins Internet zu kommen, und so nutzten wir die Gelegenheit. Unter anderem schickte ich endlich der JSA eine Nachricht, dass wir gut in Ghana angekommen waren und es uns mittlerweile allen einigermaßen gut ging.
Nebenbei profitierten wir von der Freundschaft Hans‘ mit dem Internetcafébesitzer (Hans hatte hier die ganze Technik eingerichtet), indem wir nicht nur 1.5 Gigabyte ghanaische (und amerikanische, fällt kaum auf) Musik ziehen konnten, sondern auch nicht einmal etwas bezahlen mussten.
Der Rest des Abends wurde dann eher entspannt. Wir kauften uns etwas zu Essen und fuhren dann mit einem Taxi in den „schönsten Drinking Spot Was“, wie Ulli und Hans fanden. Dort war es wirklich ganz nett, mal nicht so offen zur Straße sondern in einem gemütlichen Innenhof tranken wir unser erstes Club, DAS ghanaische Bier schlechthin. Ich weiß gar nicht, ob es in Togo überhaupt ein Bier gibt, das auch namentlich togolesisch ist, und nicht nur hier gebraut wird. Wir saßen da und unterhielten uns so über dies und das während ich gegenüber Serge schon ein schlechtes Gewissen bekam, da er uns ja nicht verstand, wo wir doch die ganze Zeit Deutsch redeten.
Gegen zehn Uhr machten wir uns dann vom Acker, da wir morgen ja früh raus mussten. Zunächst zurück zum Internetcafé und dann von dort zu einem Freund des Besitzers, bei dem wir diese Nacht unterkommen konnten. Christopher, der heute noch zurück nach Wa fahren würde, kam mit dem Moto nach. Die Fahrt dorthin gestaltete sich nicht sehr einfach und im Haus des Freundes, besser gesagt vor seinem äußerst einfachen Zimmer, begrüßte uns ein kläffender Hund. Der Muslim, der uns hier begrüßte, war sehr freundlich und überließ uns dann sogar sein ganzes Zimmer, er selbst schlief in einem benachbarten Raum. Überall auf dem kleinen Innenhof dieses Hauses standen diese bunten Plasteteekannen, die nicht für heißen Tee, sondern für ganz normales Wasser verwendet werden. Die Muslime haben sie sich hier schon zum Erkennungszeichen gemacht, die Kanne ist für sie sehr praktisch, da sie sich ja vor jedem Gebet waschen müssen. Generell ist der Norden Ghanas wie auch der Norden Togos sehr viel muslimischer als der Süden. Wa ist zudem die Hochburg der Muslime in Ghana, wie wir von Ulli erfuhren. Auf dieser Reise fühlten wir uns manchmal gar nicht so in Afrika sondern mehr in der Welt des afghanischen Schriftstellers Khaled Hosseini – immer hörst du den Muezzin.
Hier angekommen legten sich Merle und Serge schnell hin und schliefen ein, auch Hans tat es ihnen nach kurzer Zeit gleich. Ulli und ich sahen das nicht so ein und saßen noch bis 2 Uhr morgens (4 Uhr mussten wir wieder aufstehen) in dem Zimmer und unterhielten uns über was uns eben gerade beschäftigte, tauschten Erfahrungen aus. Diese Gespräche sind nicht selten amüsant, aber generell bin ich sehr froh über sie, weil sie einen interessanten Austausch von Gefühlen, Erfahrungen und Erlebnissen in unserer afrikanischen Zeit darstellen. Dazu bin ich mit noch sonst keinem außer meinen Leuten in Togo gekommen.
Gegen zwei also machte sich Christopher vom Acker, mit einem alternden, aber immer noch gut funktionierenden Moto. Ich verdamme mich dafür, dass mir unser Schlusswort jetzt nicht einfällt.
Gestern war ich dann einfach ins Bett gefallen, musste allerdings zur Empörung des Schlosshundes noch einmal aufstehen, da in meinem Magen irgendwas nicht richtig funktionierte. Dann aber kam endlich endlich zu Schlaf, und zwar genau anderthalb Stunden, ehe der Wecker klingelte und alle sich regten, aufstanden und ihre Sachen zusammenräumten – es kam mir vor, als wäre kaum eine halbe Stunde vergangen, seitdem Ulli gegangen war.
Mit Unbehagen stellte ich fest, dass ich wieder ziemliche Bauchschmerzen und ein insgesamt ungutes Gesundheitsgefühl bekommen hatte. Ich war mir eigentlich sicher, alles überstanden zu haben, doch da hatte ich mich offenbar geirrt. Unter den Rufen des Muezzins schritten wir durch die noch dunklen und leeren Straßen Was, bis zum Busbahnhof, wo wir gestern versucht hatten, Karten für den Bus nach Larabanga zu bekommen, es aber nicht geschafft hatten. Hier standen nun deutlich mehr Menschen, als ich um diese Zeit erwartet hatte, aber ich sollte vor allem am nächsten Tag noch dazu lernen, was die Belegung von Bussen, den Vorverkauf von Bustickets und die Überlastung des Bussystems in Ghana betrifft.
Zunächst luden wir unser Gepäck an einer Bank (es gibt überall Sitzgelegenheiten in Ghana – ein echter Unterschied zu unserem Einsatzland) Es sah erstmal eine Weile ziemlich schlecht für uns und unseren Wunsch nach Karten aus. Ungefähr vier Busse sollten in der nächsten halben Stunde auf diesem Hof gefüllt werden und der Kartenverkauf lief parallel ab odersollte es zumindest. Hans war uns hier eine echte Hilfe. Während Serge ja nicht viel verstand und ich ihm Neuigkeiten immer erklären musste, machte mir mein Bauch echte Probleme und ich war zunehmend schlecht drauf. Doch da mussten wir durch, das sagte ich mir jedenfalls, Hans stand beharrlich bei der aus seiner Sicht richtigen Verkäuferin an und rannte ihr auch hinterher, wenn es sein musste, sowie versicherte mir, dem Nicht-Ghanaer, dass wir schon Karten kriegen werden. Ich kaufte derweil teures Essen ein: Kekse, Brot und Thunfisch.
Als ich die Verpflegung zu den wartenden Merle und Serge geschafft hatte, entwickelte sich aus einer harmlosen Situation zwischen Merle und mir ein ernsthafter Disput. Nicht, dass wir das nicht schon kannten, aber hier ging es um ein grundlegendes Problem. Zudem explodierte mir dann auch noch eine Wassertüte in der Hand – viel schlechter konnte es jetzt nicht werden. Und es wurde auch sofort besser: Hans kam mit drei Karten für den Bus nach Larabanga zurück, die er auch noch für den Korrekten Preis, umgerechnet drei Euro, bekommen hatte. Das ist ungewöhnlich, da morgens die Tickets in der Regel schwarz zu einem teureren Preis verkauft werden. Ich verstaute meinen großen Rucksack und musste dafür erneut zahlen, dann stiegen wir ein und verabschiedeten uns dankend von Hans.
Es war das Ende eines schönen Aufenthaltes in „Hans‘ und Ullis Ghana“, während dem wir von den beiden sehr zuvorkommend behandelt, ja, bemuttert wurden. Ich möchte euch beiden noch mal Danke sagen – ihr habt uns hier wirklich geholfen und seid tolle Freunde.
Und auf einmal saßen wir in diesem „Metro-Bus“ nach Laranbanga, ein ehemaliger englischer Linienbus, orange von außen und halbwegs in Form von innen. Etwa eine Stunde rollten wir recht entspannt über asphaltierte Wege, meine Bauchbeschwerden wurden langsam, ganz vorsichtig besser erträglich. Ich unterhielt mich recht viel mit dem Mann direkt neben mir. Er war Kunsthändler und vor auf einen Markt noch hinter Larabanga. Jeden Tag etwa dreieinhalb Stunden Fahrzeit für die Hinreise, das gleiche am Abend zurück. Und dann der Preis! Da ist es schon nicht einfach, Gewinn zu machen.
Er erzählte mir unter anderem etwas über die runden Häuser mit ihren runden Strohdächern, an denen wir nun zunehmend vorbeikamen. Der Weg führte zwar gen Südosten, doch vor allem im Norden finden sich diese Nomadenhäuser, die Behausungen der „flanny people“, wie mir mein Nachbar erklärte. Nach der ersten Stunde wurden Weg und Fahrstil abenteuerlicher. Die Straße war nun nur noch rote Erde mit vielen kleinen Hügeln, der Fahrer, ein älterer Mann mit harten Gesichtszügen und einer nach links zur Seite geklappten Kappe – „Ich will keinen Stress“, wenn ich mich nicht irre – raste mit enormer Geschwindigkeit über diese kleinen Hindernisse hinweg. Teilweise fühlte ich mich wie in einem Höllenmobil. Der Bus stöhnte und arbeitete sehr laut, während draußen die grün-rote Natur im Affenzahn vorbei rauschte.
Apropos Affen: Bereits hier wurde ich (ja, nicht etwa wir: Merle und Serge schliefen mal wieder) zum ersten Mal Zeuge frei in der Natur lebender Affen. Gleich eine ganze Familie mit drei größeren und vier kleineren Äffchen einer ohnehin schon eher kleineren Gattung überquerten springend und schwanzrollend vor uns die Straße und verschwanden in der grünen Wand neben dem roten Strom, ehe unser Bus ihnen nahekommen konnte. Ich war begeistert! Affen in freier Natur. Das war schon was.
Nach etwa drei Stunden kamen wir in Larabanga an. Besonders munter waren wir alle nicht, ich war aber schon deutlich zufriedener als am Morgen, da meine Schmerzen beinah verschwunden und meine Augen Zeuge wilder Affen geworden waren.
Unsere Ankunft hier gestaltete sich tatsächlich so, wie Hans und Ulli es vorausgesagt hatten. Doch Ulli hatte mir gestern zu später – oder besser: heute zu sehr früher Stunde erklärt, wie ich mich am besten verhalten sollte. Die Leute ignorieren und ihnen keine Infos anvertrauen, einfach Gepäck nehmen und in Fahrtrichtung weitergehen, wo wir dann auf ein grüngestrichenes Guest House treffen sollten. Und so war es, eigentlich konnten wir dieses schon von dem Haltepunkt des Busses aus sehen. Das Salia-Brothers-Guest-House sah ein wenig herunter gekommen aus, aber was soll es, Christopher und Ulli meinten, den Brothers könnte man komplett vertrauen.
Als wir eintraten, trafen wir auch sofort Al Hassan, den Besitzer des Guest House und wohl Ältesten der Brüder. Wir hatten sofort das Gefühl von großer Vertrauenswürdigkeit, so, wie es uns Christopher und Hans beschrieben hatten. Es war, als würden wir einen Schrein auf einem touristischen Schlachtfeld betreten, dessen Ruhe von der garstigen Außenwelt nicht gestört werden kann.
Hier, im kleinen Innenhof des äußerlich eher heruntergekommenen Guest House lernten wir einen jungen Mann kennen, ein Deutscher, der schon vor einem Jahr seinen Freiwilligendienst in Ghana absolviert hatte und das Land nun noch einmal besucht. Wir unterhielten uns recht nett und tauschten uns ein wenig über die hiesigen Gegebenheiten und unsere Pläne aus.
So erfuhren wir, dass Karsten* den National Park erst am nächsten Tag besuchen wollte, während wir das alles ja in einem Ritt am heutigen Tag vorhatten, da uns laut Visum nur noch ein Tag in Ghana blieb.
Erste Instanz war allerdings Duschen und etwas essen. Es gab Brot und Dosenthunfisch aus Wa und später ließ uns Al Hassan mit ihm Akoumé und Fischsoße essen. Al Hassan gab uns die wichtige Info, dass die Fußsafari, die wir im National Park machen wollten, erst 15.30 losgehen würde, aktuell war es gerade 12 Uhr. Da blieb uns also noch eine Menge Zeit, allerdings wollten wir auch nicht allzu spät in den Park fahren, da wir damit rechneten, auch selbstständig noch einiges erkunden und beobachten können zu werden. Wichtig war noch, wie wir die knapp sechs Kilometer bis zum Mole National Park zurücklegen würden. Auch da hatte Al Hassan die Lösung parat: Fahrräder. Motos wären teurer gewesen und für uns landschaftsinteressierte Touristen, die wir hier nun einmal waren, sowieso nicht so romantisch. Die Fahrräder beschaffte Al Hassan, als wir Serges Bestätigung eingeholt hatten, dass er Fahrradfahren kann. Er war beinahe empört, Merle und ich fanden allerdings schon, dass diese Frage angebracht war.
Die Zeit bis 13.30, als wir losfahren wollten, vertrieb ich mir mit dem Waschen einiger Kleidungsstücke und meines Bettlakens, Merle und Serge schliefen. Später liefen wir noch mehr oder weniger interessiert durch den Ort von Larabanga, wo es zugegebener Maßen nicht enorm viel zu sehen gibt, außer einer Attraktion, die wir uns wegen des hohen Eintrittsgeldes verkniffen: die älteste Moschee Afrikas steht hier im Norden Ghanas, erbaut im 15. Jahrhundert.
Dann schwangen wir uns auf die Räder uns los gings, auf zum National Park!
Naja, so halb. Serge musste zunächst feststellen, dass die Bremse seines Rads nicht nur schlecht eingestellt war, sondern überhaupt nicht funktionierte. Dafür war das abschüssige Stück, das am Anfang unseres Weges lag, wirklich hervorragend geeignet: Serge bremste mit seinen Füßen und es war kaum möglich, angesichts so viel Bodennähe nicht zu lachen. Wir konnten das Rad tauschen und zehn Minuten später ging es dann wirklich los.
Das geringe Risiko, einen Löwen zu treffen, störte uns in diesen Momenten nicht, außerdem vermittelte das Gelände auch wenig den Eindruck von Raubtierreichtum. Wie wir später erfahren sollten, wimmelt es im National Park nur so von Löwen und Leoparden, weniger sicherlich in der Nähe der doch recht breiten Straße zum Mole National Park. Wir enterten nach etwa drei Kilometern Strecke den das Gebiet des Nationalparks und bezahlten den Eintritt von 10 Cedis pro Person, etwa 5 Euro. Von Touristen war hier noch nichts zu sehen, nur einmal begegneten wir einer Affenfamilie, kleine weiß-graue Affen, und einem Warzenschwein. Letzteres machte schon ziemlichen Eindruck auf uns, erinnerte uns vor allem an Pumba von König der Löwen, so ein Warzenschwein sieht man ja auch nicht alle Tage, mit anderen Worten: nie.
Innerhalb weniger Minuten erreichten wir die Touristeninformation des Nationalparks, ein hübsches, modernes Backsteinhaus mit Infoschalter und teurem kleinen Lebensmittelladen, in dem es Wasser, Limo, Eis und Kekse gab. Touristengebiet eben. Wir sahen hier dann auch schon die ersten Weißen, die so im Schatten der Bäume umher flanierten, und wir selbst machten uns dann auf in Richtung der „Terrasse“, einem Spiel der Landschaft, das uns ermöglichen würde, auf die Tiertränke im Tal hinunter zu blicken. Soweit zumindest die Information von Ulli und Hans. Auf dem Weg dorthin konnten wir die Hotelanlage anschauen. Für Europäische Augen sicherlich sehr einfach, fanden wir es doch beachtlich, dass man von den richtigen Hotelzimmern, etwa 6, 7 Stück in einer Reihe mit nur einem Stockwerk, direkt in das Tal und den sich unendlich weit erstreckenden Nationalpark schauen konnte.
Und dann standen wir am Rande dieses Plateaus. Was für ein Augenblick! Wie als hätte man ihn für uns bestellt, glitt in diesem Moment ein Elefant einsam in das afrikanisch-trübe Wasser der nach der Regenzeit bis an den Rand gefüllten, natürlichen Tränke und schwamm langsam in Richtung Mitte des Sees. Wir waren beeindruckt und fragten uns, was sich hier wohl die meisten fragen: Wie schön kann Natur eigentlich sein? Wir standen bestimmt zehn Minuten dort, gaben außer ein paar Ausdrücken des Staunens nicht viel von uns und spürten einfach nur die gigantische Schönheit und Reinheit der Natur. Ich hoffe, dass ich mich immer lebhaft an diesen Tag und diese besonderen Momente zurückerinnern können werde.
Das Fernglas, das mir ein Freund für einen Afrikaner meiner Wahl mitgegeben hatte, war uns hier eine tolle Hilfe, wir konnten so den Elefanten richtig beobachten und suchten dann die Landschaft nach weiteren Tieren ab. Da sahen wir Antilopen und sogar etwas, das aussah wie ein Krokodil, das ungefähr zwanzig Meter hinter dem Elefanten langsam im See vorbeitrieb. Später waren wir uns sicher, dass es ein Krokodil gewesen sein musste. Wir packten unseren am Vortag gekauften Reis aus und begannen zu essen.
Mit einem Mal wurden aufgescheucht, denn eine Gruppe Warzenschweine, sicherlich um die 7 Tiere, näherte sich uns scharrend und grunzend. Wir hatten ordentlich Respekt vor diesen Tieren und gingen ihnen besser aus dem Weg. Selbst Serge, der seinen offensichtlichen Appetit auf Schwein hier wieder einmal nicht verbergen konnte, ergriff die Flucht. Es wurde zu einem echten Problem, denn egal, wo wir mit unserem Reis hingingen – die Schweine folgten uns permanent. Uns blieb nichts anderes übrig, als den Reis nach und nach beim ständigen Wechsel unseres Standorts aufzuessen und die Tüten sicher in einem Müllkorb zu verstauen, ehe wir uns wieder zum Terassenende begaben. Es war übrigens in diesem Moment das einzige Mal, dass wir an diesem Plateau außerhalb der Hotelzone andere Weiße sahen. Ein Paar, wohl Engländer, wie ich mir erlaubte aus ihrem Akzent zu schließen, stand dort und staunte, machte Fotos. Gemeinsam verfolgten wir den nächsten Auftritt, diesmal war es eine ganze Elefantengruppe, etwa 6 große graue Tiere mit Autotürohren. Die blieben erst einmal eine Weile unter den Bäumen vor der Tränke und fraßen so dahin, bewegten sich dann majestätisch weiter Richtung See und stiegen alle der Reihe nach hinein. Welch Anblick! Wir waren zutiefst berührt, etwas ursprüngliches, grundlegendes fühlt man in diesem Moment tief drinnen und man hat das schöne Gefühl, dass diesen Tieren eben nicht die Heimat und der Lebensraum genommen werden wird, dass es ihnen hier gut geht und man sie in ihrem Leben unbehelligt lässt. Ganz korrekt war dieses Gefühl auch nicht, da wir ja hier zwischen touristischen Bauten standen und die Elefanten sich sehr wohl unserer Anwesenheit vielleicht nicht in diesem Moment, aber ganz generell bewusst waren.
Die Zeit verfloss sehr schnell, als wir dort standen, das Fernglas von einem zum andere wandern ließen und die Natur genossen, den Blick schweifen ließen über die unfassbaren grünen weiten der afrikanischen Feuchtsavanne. So kam es, dass wir uns auf einmal beeilen mussten, noch pünktlich beim Ausgangspunkt der Fußsafari zu sein.
Hier lief nun, wie wir es auch anfangs angenommen hatten, alles korrekt ab, denn pünktlich gegen 15.30 Uhr begrüßte uns ein bewaffneter Ranger, der mit uns die Tour machen würde. Während wir uns amüsante Gummistiefel anziehen mussten, starteten zwei kleine Gruppen Weiße ihre Jeepsafari.
Wir schritten zu viert an den Hotelhäusern vorbei und traten dann einfach durch ein paar Büsche hindurch, um unsere Safari zu beginnen. Wir waren die einzigen Gäste zum „guided walk“, was eine positive Überraschung war, da wir auf diese Weise alle Fragen stellen konnten, ohne Rücksicht auf andere nehmen zu müssen. So erfuhren wir, dass es in diesem National Park etwa 300 Vogelarten, 16 Raubtierarten und einige Schlangen und Skorpione gibt. Unfälle mit Besuchern passierten so gut wie nie, der Ranger selbst habe noch nie einen erlebt, und gab auch noch hinzu: „wenn wir unseren Job richtig machen, kommt es zu keinen Situationen, in denen jemand gefährdet wird und wir die Waffe einsetzen müssen.“
Die erste und gleichzeitig beeindruckendste Attraktion der Safari war die Elefantengruppe, die wir vor einer halben Stunde schon vom Plateau aus gesehen hatten und die nun in nächster Nähe zwischen den typisch flachen afrikanischen Bäumen standen und sich mit Rüsselwasser bespritzten, Blätter mit ihren riesigen Zähnen zermalmten. Wir näherten uns unter den Ermutigungen des Rangers und die Elefanten bemerkten uns relativ plötzlich, als wir auf etwa 30 Meter herangekommen waren. Allerdings blieben sie völlig ruhig und fraßen weiter ihre Blätter, jedoch hatten sie uns nun voll im Blick. Wir gingen vorsichtig weiter, ergriffen und beeindruckt vom Augenblick, von dieser besonderen Situation Elefanten mal in freier Natur zu erleben. Führte man sich das vor Augen, dass es tatsächlich genauso geschaffen wurde, wie wir es hier sahen, war der Eindruck noch intensiver.
Bis auf etwa zwanzig Meter ließ unser Führer uns an die mächtigen Tiere herangehen, diese ließen sich nicht stören, sogar Fotos konnten wir problemlos machen. Wir lauschten nebenbei den Erklärungen des Rangers. Es seien die größten Elefanten, die es weltweit gebe, nur sei es eine Gruppe vorrangig junger, noch nicht ganz ausgewachsener Elefanten. Die zweite hier existierende Elefantenart bekamen wir nicht zu Gesicht. Doch mal ehrlich: Wir hätten nicht damit gerechnet, sofort bei unserer Ankunft Elefanten zu sehen.
In quietschenden Gummistiefeln schritten wir weiter und beobachteten Vögel und Pflanzen. Einmal zeigte uns unser Guide eine besondere Baumart, in der sich meist viele Tiere aufhalten würden, vor allem bei Nacht. Aus diesem Grund wurde der Bam zum Baum der Jäger, denn diese profitierten früher, als der Park noch nicht geschützt war, von dieser Tatsache, und schossen, wie es ihnen gefiel.
Nach einer Stunde Marsch und den natürlichen Salzlecksteinen der Elefanten und Stiere, die uns gezeigt wurden, gebot uns unser Ranger auf einmal Ruhe – wenn wir Antilopen aus nächster Nähe sehen wöllten, müssten wir still sein.
Und tatsächlich, es schien hier nur so von ihnen zu wimmeln! Die Tiere nannten sich auf Englisch „Kob“ und auf Deutsch, wie ich später herausfand „Kobantilopen“, also ja, wir haben eine Menge Antilopen gesehen! Dazu gesellten sich immer wieder Buschkühe, die sich vor allem durch ihre Ohren und die rehkitzartigen, weißen Flecken auf ihrem hellbraunen Körper von den Antilopen unterscheiden. Vor allem auch die mänllichen Antilopen und Buschkühe (-Rinder) waren majestätische, mächtige Tiere mit starken, schlanken Hörnern. Insgesamt versteckten sich diese Tiere jedoch viel vor uns und waren auch so schnell, dass es beinah unmöglich war, sie aus kürzerer Distanz aufs Foto zu bekommen.
Hoch in den Wipfeln eines Baumes sahen wir einen storchartigen Vogel mit langem spitzen Schnabel, der in seinem Nest stand und die Umgebung betrachtete. Fast anderthalb Stunden waren vergangen, als wir einen weiteren kleinen See, beinah einen Teich erreichten. Hier wurden wir nun endlich auch aus der Nähe Zeugen der hiesigen Existenz von Krokodilen. Langsam und bedrohlich schob sich ein gezackter grüner Rücken durch das Wasser, weit genug von uns entfernt, um nicht gefährdet zu sein, nah genug, um sich der Anwesenheit des Jägers bewusst zu sein.
Ab diesem Punkt traten wir den Rückweg an. Nicht die gleiche Strecke, aber schon bald sahen wir von unten die Hotelräume auf dem Plateau durch das Grün der von der Regenzeit genährten Pflanzen blitzen. Wir sahen Elefanten-, Antilopen- und sogar Stierhufabdrücke und durchschritten ein ausgetrocknetes Flussbett. Dann stiegen wir neben der großen Tränke wieder nach oben auf das Plateau und kamen dort heraus, wo wir vorher lange gestanden und gestaunt hatten.
Wir gaben unsere Schuhe ab und bezahlten, dann schwangen wir uns auf die Räder und fuhren wieder in Richtung Ausgang. So war der Tag beinahe vorüber, doch wir hatten viel gesehen und erlebt, waren guter Dinge. Kurz vor dem Ausgangstor fuhren ein Jeep mit seinen Yovo-Touristen und ein solcher oranger Metrobus, wie er uns nach Larabanga gebracht hatte, obendrauf an uns vorbei und staubte uns enorm ein. Aber das konnte uns heute nichts mehr.
Zwanzig Minuten später hatten wir uns die zwei Berge bis nach Larabanga hochgestrampelt. Mal so nebenbei: ein Fahrrad ganz ohne Gangschaltung war für uns auch neu.
Wir hatten es genau richtig gemacht: nun, da wir ankamen, wurde es dunkel. Das Angebot einiger Jungendlicher, heute Abend doch ein wenig mit ihnen „Disko zu machen“ konnten wir nicht wirklich annehmen, denn wir waren recht erschöpft und mussten am nächsten Tag schon wieder gegen vier Uhr aus dem Bett. Tja, Reisen in Afrika mag schön, aber nicht immer komfortabel sein.
Unser Abendessen bestand aus Akoumé und Fischsoße bei Al Hassan. Hier beobachteten wir übrigens einen uns noch fremden Brauch: Al Hassan bestand darauf, den Fisch selbst mit der Hand zu zerteilen und uns zu reichen, und es nicht von uns selbst tun zu lassen. Interessant, das fand auch Serge, der meinte, dass das in Togo niemand machen würde.
Merle und Serge verschwanden nach der Dusche schnell im Bett. Allerdings nicht einfach im Bett, sondern auf dem Dach des Salia Brothers Guest House. Ich ka etwa eine Stunde später nach, legte mich mit meiner Matratze auf einen anderen Abschnitt des Daches. Und ich war verzaubert, entzückt: Was für ein Anblick bot sich uns! So viele Sterne hatte ich noch nie gesehen. Auf der Erde um mich herum war es stockfinster, doch der Himmel leuchtete mit aller Kraft, es waren beinah mehr Sterne da als blauschwarze Flächen. Die Milchstraße, so hell und weiß, mitten am Himmel! Innerhalb von zehn Minuten sah ich fünf Sternschnuppen. Und das ist kein Witz.
Erneut Aufbruch gegen 4 Uhr, Sitzplatzkampf, Busfahrt von Larabanga nach Tamale, Umsteigen in Tamale und Busfahrt nach Bunkpurugu (Grenzort) Laufen bis Grenzstation und Motofahrt bis ins togolesische Dorf Tandjouré, Virgil holt uns mit Auto ab und fährt uns zu sich nach Hause in Dapaong, hoher Norden Togos
Heute war mit Sicherheit der reisereichste und in vieler Hinsicht einer der aufregendsten Tage nicht nur unserer Reise, sondern unseres gesamten Afrikaaufenthaltes. Nach einer kurzen, aber zumindest im wachen Zustand wunderschönen Nacht auf dem Dach unseres Guest House in Larabanga unter einem in seiner ganzen Herrlichkeit strahlenden Sternenhimmel, rafften wir gegen 3.45 Uhr unsere Sachen zusammen und warteten frühstückend auf den Bus, der für uns laut Gastgeber „locker und hundertprozentig“ zu erreichen zu sein sollte. Auf einmal Al Hassan, unser netter Gastgeber mit den Worten „Fast! There are very much people“ angerannt und wir eilten mit unseren Sachen, Brotstücken und einer offenen Dose Thunfisch zum von einer großen Menschentraube umstandenen Bus. Dort hatte Al Hassan sich nach innen gekämpft und kaufte für uns Tickets, während andere mit allen Mitteln versuchten, ebenfalls welche zu bekommen. Es war eine große Überraschung für uns, dass der Bus so extrem gefragt war und ein Privileg nicht zuletzt unserer Hautfarbe, dass wir dann mit Körpereinsatz in den Bus gelangten und, wie eine Gruppe Belgier, sogar noch einen Sitzplatz ergatterten. Das war gut, denn auf uns wartete die bis zu vier Stunden lange Fahrt nach Tamale, Richtung Nordosten.
Wie schon auf der Fahrt von Wa nach Larabanga, raste der Metro-Bus sobald er konnte mit enormer Geschwindigkeit über die schlechten Straßen. Das muss man sich einmal vorstellen: ein oranger, alter Bus, der in England mal als Linienfahrzeug gedient hat und die fünfzig bei seinen Stadtfahrten sowieso schon deswegen nie überboten hatte, da er nach wenigen Augenblicken an der nächsten Haltestelle wieder hatte anhalten müssen, düst hier mit knapp hundert Sachen durch die Afrikanische Landschaft, über Straßen, die mehr als holprig sind. Merle konnte sich bei unserem Hoch-Und-Runter-Gehüpfe auf der letzten Sitzreihe ein erstauntes Lachen nicht verkneifen.
Innerhalb von etwa drei Stunden erreichten wir die größere Stadt Larabanga. Wir landeten, wie so oft, auf einem Bushof und versuchten sofort, uns um Karten für den Bus nach Bunkpurugu, den Ort, den man nicht korrekt aussprechen kann und wo wir die Grenze überqueren wollten, zu kümmern. Uns begleitete ein einigermaßen sachkundiger geschätzt Zwölfjähriger, der ebenfalls nach Bunkpurugu wollte. Am Schalter dieser Station fanden wir allerdings schnell heraus, dass die Karten für diesen Bus schon ausverkauft waren, wir sollten später wiederkommen, um zu schauen, ob wir doch noch einen (Steh-)Platz bekommen könnten. Das wollten wir eigentlich nicht, weswegen wir nach einem Frühstück mit Omelette (Merle) und Haferflocken mit einer Art Kakao (Ich) den Ratschlägen eines zufällig getroffenen Bunkpurugujaners folgten, und zur Station der Bank-Busse schritten. Da weit ausgeschritten, kamen wir noch rechtzeitig dort an: in einer halben Stunde würde ein Bus bis nach Nayrilungu oder so ähnlich – lasst mich mit den ghanaischen Städtenamen in Ruhe, es gibt auch noch jede Menge andere Ugus und Kete-Krachi – fahren, von wo aus wir entweder den gleichen Bus für teures Geld mieten oder ein anderes Vehikel zum Grenzort nehmen könnten. Ich kaufte noch schnell ein wenig Handy-Kredit ein, um meinen heute 17 Jahre alt werdenden Bruder anzurufen, und dann stiegen wir in den zugegeben ungemütlichen Bus. Aber wir wussten ja gar nicht, was uns heute noch alles so erwartete.
Wir fuhren tatsächlich gleich los und mussten nicht einmal für das Gepäck bezahlen, da wir den Fahrer vorher recht nett bequatscht hatten. Auf der Fahrt stellten wir amüsiert fest, dass das Lenkrad über eine ganz besondere Form der Servolenkung verfügen musste, denn bevor sich etwas in Sachen Richtungsänderung tat, musste man es beinah um 90° drehen. Der kleine Fahrer war damit aber sicherlich vertraut und fuhr sicher seinen Weg. Nach etwa einer Stunde Fahrt hörte der Asphalt einfach auf, mitten auf der Straße. Wir ruckelten ein wenig und düsten dann weiter, als der Schotterweg weniger uneben geworden war. Unterwegs fuhren wir an vielen größeren und kleineren Dörfern vorbei und stellten auch hier noch fest, dass hier in Ghana beinah jeder noch so kleine Punkt in der Landschaft Anbindung zum Strom hat. Nach ungefähr drei Stunden hielten wir dann immer häufiger an, Leute stiegen ein und aus, schließlich erreichten wir Nayrilungu. Dort bot uns der Fahrer dann an, den Weg nach Bunkpurugu für drei statt der angebotenen fünf Cedis zu machen, da es jetzt mehr Fahrgäste gebe, als angenommen. Wir willigten ein, denn wirklich günstiger würden wir es mit einem anderen Auto auch nicht kriegen. Und wer weiß, wie lange wir gebraucht hätten, um einen Transport nach Bunkpurugu zu finden. Die Ghanaer sprechen die Grenzstadt übrigens „Bunkprugu“ oder „Bunkkrugu“ aus. Und das sind schon die, die in der Gegend wohnen.
Der Weg von Nayrilungu bis Bunkpurugu wurde für mich ab seiner zweiten Hälfte zu einem der interessantesten Punkte unserer gesamten bisherigen Reise. Zunächst fuhren wir ganz kurz über Asphalt, dann begann die Schotterstrecke. Nach einer halben Stunde Fahrt, wir kamen weiter und weiter in den Nordosten Ghanas, wurde das Gelände immer gerölliger und schroffer. Kleine Hügel erhoben sich und machten die Landschaft so spannend und besonders, da man nicht sehen konnte was sich außerhalb des Umkreises von hundert, zweihundert Metern des Busses befand. Das war sonst meist komplett anders, da das Gelände völlig flach war, wie im gesamten Süden dieser Länder Westafrikas. Auch die Vegetation änderte sich, die Farbenvielfalt nahm zu, wurde mediterran. Ich fühlte mich an Griechenland und Kroatien erinnert. Die Straße war nun nur noch ein Weg und eigentlich nicht mehr befahrbar, doch unser Bus machte sich nichts daraus. Rechts und links sahen wir nun immer wieder jene runden Hütten mit Bastdach, die schon den ganzen Tag über die Straßenränder unserer Reise gesäumt hatten. Nun standen sie allerdings weniger einzeln, sondern bildeten die Eck- und Zwischenpunkte der Mauern von kleinen Höfen, die zu großer Zahl nebeneinander oder mit großen Abständen zwischen einander in der hügeligen Landschaft stehen konnten. Uns (oder zumindest mir, die anderen schliefen die meiste Zeit) war klar, dass wir nun in einer andere Gegend gekommen waren, das fühlte man einfach. Hier sahen wir nun ungefähr genauso viele Eselkarren wie Motos und statt irgendwelchen anderen Gotteshäusern gab es hier nur noch Moscheen. Ich fragte mich, wie es wohl noch weiter im Norden aussah.
Eigentlich vermittelte uns die flagrante, bloße Einfachheit des hiesigen Lebens und die Landschaft das Gefühl, dass hier eigentlich nicht mehr viel kommen könnte. Einzig und allein die Hochspannungsleitung, die uns immerzu begleitete und nun kein einziges Haus mehr speiste, verriet, dass es da irgendwo noch etwas Versorgenswertes geben musste. Und so war es: Bunkpurugu war weiß Gott keine große Stadt, eher ein größeres Dorf, aber auf dem Zentrumsplatz, wo die wenigen Autos parkten, spielte Musik, war es bunt und viele Leute tummelten sich. Stromleitungen zu fast allen Häusern. Unser netter Fahrer half uns, dann, jemanden zu finden, der uns möglicherweise Motos zur Grenze besorgen konnte, und verabschiedete sich. Wir wussten, dass die Grenze noch ein Stück weg war, aber nicht, wie weit genau. Der Mann nahm uns mit zum „Chef“, der allerdings kein Englisch mit uns sprechen wollte. Wir fühlten uns wie die ersten Weißen, die die Bunkpurugunesen sahen: eine große Menschentraube umgab uns, einige starrten uns völlig entgeistert an.
Wir realisierten, dass wir uns zwar von vornherein vorgenommen hatten, im Nordosten Ghanas die Grenze zu überqueren, um wieder nach Togo zu kommen, aber keinen Schimmer hatten, worauf wir uns einließen. Ob es überhaupt offene Grenzen gab, wussten wir vor dem Besuch des Immigration Centers in Wa nicht.
Die Männer, die uns Motos besorgen konnten, sahen in uns allerdings offenbar nur Dollar- oder Cedizeichen und boten uns für die 6 Kilometer bis zu einer Autostation hinter der Grenze, die selbst etwa 2 Kilometer entfernt sein sollte, 20 Cedi pro Person als Preis an. Wir konnten eigentlich nur lachen, das war lächerlich, völlig daneben. Wir versuchten zu handeln. Wir unterhielten uns untereinander, dass wir ja bis zur Grenze zu Fuß gehen könnten. Auf einmal hielt ein Jeep unweit hinter uns an, auf der Motorhaube ein Emblem vom ghanaischen Zoll. Der fuhr bestimmt in Richtung Grenze, dachten wir, und entschieden uns, ihn zu fragen, ob er uns mitnehmen kann. Wir hatten das Glück, dass der Mann nicht nur zur rechten Zeit gekommen war, sondern auch nett war uns mitnahm. Die Strecke war ein einziges Gerüttel bei gefühlten 5 km/h über unmögliche Steine und Felsstücken. Aber wir kamen durch und wurden am Immigration Office von Bunkpurugu raus gelassen. Der Beamte im Wagen sagte, wir sollten die Formalitäten machen und danach auf ihn warten, er müsse im Dorf noch etwas erledigen. Dann würde er uns mit zur Grenze nehmen. Denn – wir schauten uns um – an einer Art Grenzübergang waren wir noch nicht, alles, was wir sahen, war die nun wieder flachere Landschaft du lauter vereinzelte Lehmhütten sowie vorbeiziehende Ghaner und Togolesen – einige grüßten mit „Bon soir“.
Im Büro des Immigration Service wollten zwei Beamte unsere Pässe sehen und stellten uns eine Menge Fragen. Welche Nationalität. (Welch Frage, hatten sie doch unsere Pässe schon in der Hand) Wo wir her kamen. Wo wir die Grenze nach Ghana überschritten hatten und weshalb hatten wir eigentlich Bunkpurugu als Grenzübergangsstelle gewählt? Wir erklärten alles und bekamen unsere Pässe mit dem Check-Out-Stempel zurück. Puhh, die Sache mit dem Fünf-Tages-Visum war also noch mal gut gegangen. Nun kam aber Serge, der hatte keinen Pass, und die Grenzbeamten erkannten seinen Ausweis offenbar nicht als ausreichendes Reisedokument an. Wir diskutierten eine Weile, immerhin waren wir ja auch in Aflao über die Grenze gekommen, was war denn der Unterschied zwischen hier und Aflao? Rein theoretisch würde mir da eine Menge einfallen, aber bezüglich des Grenzübergangs sollte es keine Differenzen geben. Letztendlich sagten sie, es würde kein allzu großes Problem sein, dieses Mal würden sie es durchgehen lassen. Ich dachte in diesem Moment, dass sie bestochen werden wollten, doch sie gaben uns Serges Ausweis zurück und ließen uns aufstehen. Ich erkannte, dass die Situation überstanden war, und fragte nun nach, wie wir denn nach der Grenze weiterverfahren könnten, schließlich wollten wir ja noch nach Dapaong, zu Serges Cousin Virgil, wo wir zwei Tage bleiben würden. Merle tat ich damit wohl in diesem Moment keinen Gefallen, die schon die ganze Zeit auf heißen Kohlen gesessen hatte und am liebsten nur abgehauen wäre. Aber der Mann antwortete uns freundlich. Es würde schwierig werden nach der Grenze, es gebe keine Motos oder Autos. Eigentlich war uns dass ja klar gewesen – auf der einen Seite der Grenze war nichts, wieso sollte dann auf der anderen Seite etwas sein. Das machte Sinn.
Draußen warteten wir dann fast zwanzig Minuten auf unseren Grenzbeamten im Jeep, doch der kam und kam nicht. Auch sagte uns einer der beiden Beamten vom Immigration Office, dass der Jeep vermutlich schon vorbeigefahren sei. Also blieb uns nichts anderes übrig, als die Straße in Richtung Grenze entlang weiter zu laufen. Es war interessant, die Leute, die Häuser, die Landschaft und diese ganzen Esel zu sehen. Dennoch ein eher ödes Land, das sicherlich bei Trockenzeit einen recht trostlosen Eindruck machen kann. Es dauerte eine Weile, bestimmt etwa vierzig Minuten, ehe wir die Grenze endlich sahen. Da war es schon 17.50 Uhr. Bald würde es dunkel werden, wussten wir, und Dapaong war weit. Vor allem hatten wir keinen Schimmer von dem, was auf der anderen Seite der Grenze lag. Wie weit war es zu einem Ort mit Autos? War um diese Zeit überhaupt noch an ein Taxi zu denken, hier in dieser Einöde? Wir mussten zur Hauptstraße, aber wie weit die weg war, keine Ahnung.
Am Übergang trafen wir jenen Mann wieder, der uns zunächst mit seinem Jeep zum Immigration Office gebracht hatte. Ein älterer Mann saß noch bei ihm, womöglich sein Vorgesetzter. Das Gespräch mit ihnen war freundlich und ergab, dass das nächste Dorf weit weg, circa 15 Kilometer von hier sei, und es sah auch nicht so aus, als wäre es einfach, Fortbewegungsmittel von hier zu finden. Der Grenzbeamte half uns aber, in dem er Motos mit dem Handy rief, während Serge versuchte, seinen Cousin Virgil mit dem Handy zu erreichen, um ihn zu bitten, uns möglicherweise an der großen Straße abzuholen.
Auch wenn es hier möglicherweise nicht so klingt: Das ganze war ziemlich nervenaufreibend. Wir nahmen es zwar erstaunlich locker, wie ich im Nachhinein finde, aber wir befanden uns wirklich im absoluten Niemandsland, waren ziemlich fertig von diesem Reisetag und wussten nicht so richtig, was die nahe Zukunft bringen würde.
Auf jeden Fall standen in kürzester Zeit zwei Motofahrer vor, ungefähr zur gleichen Zeit kam Serge vom Telefonieren zurück und ließ uns durchatmen: Virgil würde uns an der Hauptstraße im Ort Tandjauré mit dem Auto abholen. Wozu war er Magistrat und fuhr einen BMW?
Die Motofahrer hatten wohl erkannt, dass die Yovos sich in einer misslichen Lage befanden, aus der nur sie ihnen jetzt heraushelfen konnten. Deswegen schlugen sie uns einen fetten Preis vor, umgerechnet 30 Euro für uns drei bis in den Ort an der Hauptstraße. Das ist für hiesige Verhältnisse absoluter Wucher. Aber uns blieb nicht viel anderes übrig, als unser Bestes zu geben, mit ihnen ein bisschen zu verhandeln und dann das Angebot anzunehmen. Auf 50 Cedis gingen sie noch herunter.
Und schwupps saßen wir auf den Motos, ich mit meinem großen Rucksack auf dem einen und Serge mit Merle auf dem anderen. Unsere Fahrer schienen es völlig eilig zu haben und rasten, wie ich es in meinen elf Monaten Togo noch nicht erlebt hatte. Der Weg war alles andere als in gutem Zustand, aber mein Fahrer bretterte mit irrer Geschwindigkeit über die Unebenheiten hinweg, als wären wir auf einer Rennstrecke. Ich bekam es, ganz ehrlich, ein wenig mit der Angst zu tun, da ich ja auch noch das Gewicht meines Rucksacks zu halten hatte.
Die Fahrt dauerte zunächst nicht lange, nach nicht mehr als fünf Minuten hielten wir an und wurden von einem lässig auf einer Bank neben dem Weg lümmelnden Offizier in Zivil angewiesen, unsere Rucksäcke aufzumachen und ihm den Inhalt zu zeigen. Wir taten wie geheißen, und der Offizier nahm sich alle Zeit, die er hatte, um alle möglichen Dinge genau zu untersuchen. Die ganze Vorstellung bewegte sich an der Grenze zur Lächerlichkeit. Er nahm meine Kosmetikartikel aus einer Tüte und drehte einige auf, um an ihnen zu schnuppern. Ich musste an mich halten, um nicht los zu prusten. Glücklicherweise hatte er dann, als Serge und Merle an der Reihe waren, offenbar die Lust verloren, weshalb wir bald unsere Rucksäcke wieder schließen konnten. Doch damit nicht genug, jetzt wollte der propere Offizier auch noch 5000 CFA von Merle und mir haben, damit wir weiter durften. Hier half uns Serge, der erklärte, dass wir schon seit beinah einem Jahr für das Land in verschiedenen Bereichen gearbeitet haben und Volontäre mit wenig Geld seien. Ich war wirklich überrascht, als ich erkannte, dass die Masche funktionierte. Wir durften weiter, aber erstmal zu den „Douaniers“ – des Grenzbeamten. Die fragten uns aber nur ein paar Dinge, woher, wohin, Nationalität, und dann Au revoir und bonne route, rauf aufs Moto und ab dafür. Und wie! Die Fahrer kannten kein Halten. Die düsten wirklich wie die Teufel, es war unfassbar. Ich war mir in diesen Augenblicken eigentlich sicher, irgendwann vom Motorrad fallen zu müssen. Dann begann es zu regnen, letztendlich hatte uns das schon seit einer halben Stunde aus dem Norden hinüber grollende Unwetter erreicht und dicke Tropfen prasselten in schweren Fäden auf uns hinab. Die Augen offenzuhalten fiel mir nun ziemlich schwer und ich fragte ich ernsthaft, ob mein Fahrer denn noch recht bei Sinnen sei, unter diesen Umständen ohne irgendeinen Augenschutz keinen km/h langsamer über die nun immerhin nicht mehr staubende Steppe zu rasen.
Das Unglaubliche geschah und nach einer durchaus bewegenden Stunde auf dem Moto erreichten wir komplett durchnässt, aber glücklich Tandjauré, wo wir uns unter der Markise eines Miniladens unterstellen und die Fahrer bezahlen konnten. Die machten sofort kehrt, um in wahrscheinlich noch höllischerem Tempo den gleichen Weg zurück zu „fahren“.
Hier, an dem kleinen Lädchen, wurden wir ein weiteres Mal Zeuge der grundlegenden, von Herzen kommenden Freundlichkeit der Afrikaner, der Togolesen in diesem Fall. Denn, ja, wir waren ja auf einmal wieder in Togo! Irgendwie ließ uns das durchatmen. Es hatte was von nach Hause kommen. Ein älterer Mann machte Platz für mich auf der Bank, auf der er saß, und begann erstmal in gebrochenem Englisch mit mir zu sprechen. Ich erklärte, dass wir ruhig französisch sprechen könnten, und von da an lief unsere Unterhaltung. Wir waren einfach dort angekommen und absolute Fremde, aber die Leute nahmen uns auf, schützten unsere Sachen und brachten kleine Opfer, damit es uns gut ging. Das war rührend, wir waren trotz Nässe, Kälte, Geldverlust, Müdigkeit bei bester Stimmung. Wir hatten noch einen Rest Brot und kauften dazu für hundert Francs das eben hier verkaufte Rindfleisch in wässriger Soße. Eigentlich eine Fufu-Soße. Mit dem älteren Mann und dem Besitzer des Ladens unterhielt ich mich ungefähr zwanzig Minuten sehr intensiv. Über unsere Reise, über Unterschiede zwischen Togo und Ghana. Immer wieder, wenn ich dieses Thema mit jemandem diskutiere, kommen wir auf das gleiche, die Wahrheit, heraus: Ghana ist das entwickeltere, ökonomisch weitere Land. Der Staat gibt sehr viel für die Entwicklung des Schulsystems und für den Ausbau der Infrastruktur und des Verkehrsnetzes aus. Und diese Dinge haben wir gesehen. Die Straßen sind größtenteils in verhältnismäßig tollem Zustand, die Upper East Region in ihren finstersten Ecken mal ausgenommen. Die Stromversorgung ist fast überall gegeben, die hintersten Ecken der Upper East Region mal ausgeschlossen. Und, wenn wir mal über Ghana außerhalb der letzten Abschnitte der Upper East Region sprechen, die Schulen sind im Vergleich zu den togolesischen fabelhaft, das schließen wir allein aus dem Fakt, dass wir bei Hans und Christopher eine von außen her fantastische Schule mit allem Drum & Dran gesehen haben, die Kaleo Senior High Technical School, wo unsere beiden Freunde arbeiten, die von den beiden aber als schlechteste Schule eingeschätzt wird, die sie in Ghana gesehen haben. Naja. Da haben sie die Schule von Buckpruhungutugu noch nicht kennen gelernt.
Nach einem wärmenden Togodin mit den freundlichen Leuten in der kleinen Boutique hörten wir die BMW-Hupe von Serges Cousin Virgil ertönen, das Signal, uns zu verabschieden, unser Gepäck hinten ins Auto zu werfen und uns ins Trockene zu setzen. Das tat gut. Am Steuer saß ein Freund Virgil, er selbst saß auf dem Beifahrersitz. Nachdem wir uns begrüßt hatten, fuhren wir los, gen Norden.
Die Strecke bis zur nördlichsten größeren Stadt Togos, Dapaong ist von Tandjauré aus nicht weiter als 20 Kilometer, dennoch brauchten wir aufgrund der recht kaputten Straße ungefähr 40 Minuten bis zu Virgils Haus. Wir waren also wieder im Osten gelandet.
Dieser Eindruck allerdings war wie weggeblasen, als wir das Haus unseres Freundes betraten, wo uns die Haushälterin, Virgils Frau und ihre Kinder Benedito und Reneauld begrüßten. Das Haus stand auf einem großzügigen Grundstück, bestand nur aus de Erdgeschoss, war aber modern eingerichtet. Innen brannte warmes Licht, eine schöne Abwechslung zu all den Neonröhren, die in Togo die Häuser erleuchten, wenn es Strom gibt. Die erste Amtshandlung war Duschen. Das tat uns allen gut, alternierend unterhielten wir uns mit Virgils Frau, während uns die Haushälterin mit Gläsern und Wasserflaschen (!) bediente, und duschten. Virgil, der vorher ausgestiegen und zu einem wichtigen Treffen gegangen war, kam dann wieder und als wir alle geduscht im Salon saßen, servierte er uns, wir wurden nicht mehr, Wein aus der Flasche in Weingläsern. Das war gewissermaßen ein ziemlicher Gegensatz zu dem bis vor anderthalb Stunden Erlebten, aber ich denke, wir alle genossen diese Gastfreundschaft. Und zu übersehen war auch nicht, dass es Virgil in seiner Funktion als höchste Justizinstanz der Region finanziell nicht schlecht ging.
Zum Abendbrot gab es, ganz togolesisch, la Pâte mit Spinatsoße. Wir lernten den Brauch kennen, dass Gäste, zu denen man als Gastgeber ein enges Verhältnis hat (ist ja bei Serge und Virgil der Fall), allein am Tisch essen, während die Gastgeber sich ein wenig zurückziehen. Wäre es anders, das heißt, stünde man sich nicht so nahe, würde man gemeinsam essen.
Nach dem Essen und ein paar Minuten des Schwatzens ging es ins Bett, das hatten wir nötig.
Frühstück bei Virgil, Dapaong-Tour und Marktbesuch, nachmittagliches Ausruhen und abends Jenkoumé und Barbesuch in Dapaong
Wir standen gegen neun Uhr auf. Oder besser, ich stand gegen neun Uhr auf, Merle und Serge waren schon wach und holten mich zu dieser Zeit zum Frühstück. Das Frühstück war ein weiterer Glanzpunkt in diesem Dapaong-Aufenthalt. Es gab doch tatsächlich Haferflocken! Dazu ein riesiges Omelette, da gab es ordentlich zu tun für die beiden Eieresser unter uns.
Relativ direkt im Anschluss, wir beobachteten nur noch ein paar Minuten die Kids, die gebannt japanische Zeichentrickserien schauten, ging es mit dem Auto in die Stadt. Erste Station: Postfiliale, Tickets für den Postbus in Richtung Lomé für morgen früh kaufen, wir wollten schon morgen nach Anoum fahren. Dort wurden wir gleich enttäuscht: alle Tickets ausverkauft bis Dienstag. Mist! Jetzt würden wir mit den Ruckel-Zuckel-Kleinbussen über die wahrscheinlich schlechten Straßen gen Süden fahren müssen.
Nächster Halt war die Bank, ich musste Geld abheben. Das ging reibungslos, nur fragte ich mich langsam, wie viel diese Reise eigentlich noch kosten würde.
Dann kamen wir dort an, wo wir eigentlich hinwollten: auf dem Markt von Dapaong. Es war ein mittelgroßer Markt. Es wurden im Grunde dieselben waren angeboten wie auf allen anderen klassischen Märkten in Togo. Kleiner Unterschied: Im Norden leben die Milch-Spezialisten des Landes, deswegen fanden wir hier großen Mengen Vongâche und auch Joghurt gab es. Der schmeckte hervorragend! Kurz vor Schluss unseres Marktbesuchs kauften wir noch zwei Hühner für verhältnismäßig viel Geld, die wir als kleine Gegenleistung für unseren Aufenthalt bei Virgil zum Abendessen spendieren wollten.
Letzte Station unserer kleinen Dapaong-Tour war dann der höchste Punkt der Stadt, den wir ebenfalls ganz entspannt mit dem Auto erreichten. Dort befanden sich zwei große Wassertürme, die Grundwasser speichern und dieses über ein großes Rohr, das hier sehr gut sichtbar ist, in die Haushalte mit fließendem Wasser pumpen, zum Beispiel in jenen Virgils. Einige wenige Häuser befinden sich hier oben, direkt neben einigen spärlichen Maisfeldern, die hier überraschenderweise wachsen, zwischen all dem garstigen Gestein und Geröll. Hier befanden wir uns nämlich schon in so einer Art Gebirge, von diesem Hochpunkt aus konnte man sehr schön auf die Stadt hinunter blicken und in der näheren und weiteren Ferne Berge erkennen. Eine schöne Landschaft, die schroffen Felsen überall getränkt in tiefes Grün von der Regenzeit.
Wieder bei Virgil angekommen, hatte seine Frau schon gekocht und wir aßen, erneut nur zu dritt am Tisch, Reis mit Hühnchensoße. War lecker. Dann legten Merle und Serge sich nach draußen auf die Terrasse, während ich ein wenig schrieb.
Der Nachmittag verging aus irgendeinem Grund schnell und gegen 19 Uhr gab es dann unsere beiden Hühnchen mit Jenkoumé, zubereitet von der Haushälterin und Virgils Frau. Dazu gab es wieder Wein, roten Domaine du moulin, diesmal aßen wir alle gemeinsam.
Den Abend verbrachten wir dann bis circa 21.30 Uhr in einer Bar im Rande Dapaongs, wo es dunkel und ruhig war. Wir unterhielten uns über so dies und das, vor allem aber über die Marktchancen DER Pomade schlechthin gegen Mückenstiche und auch sonst alles was zwickt, Victago, in Deutschland. Eine kleine Dose kostet hier 100 Francs, etwa 15 Cent, verkaufen könnte man sie in Deutschland bestimmt für 50 Cent. Har har har!
(Ich möchte die Gelegenheit nutzen, und mich bei Christopher für seinen unter anderem kommerziellen (positiven) Einfluss zu bedanken)
Am Abend als wir zurückkehrten vielen Merle und Serge nur noch ins Bett, während ich noch mit Virgil im Salon sitzen blieb und ein wenig Fernsehen schaute. Nebenbei unterhielten wir uns auch, nette Angelegenheit, bevor ich dann auch ins Bett ging – morgen gegen fünf mussten wir schon wieder auf der Matte stehen, um mit dem Ruckel-Zuckel-Bus Richtung Sokodé und dann weiter Richtung Atakpamé und Anoum zu fahren.
Früh Morgens Aufstehen und Busfahrt nach Sokodé innerhalb von sechs Stunden, Umsteigen in Kleinbus nachAtakpamé – weitere fünf Stunden, dann Umsteigen in Kleinbus Richtung Kpalimé, Ankunft in Anoum: 19 Uhr
Dieser Tag war nichts als eine endlose, mal ruckelnde und mal sausende, in jedem Fall aber nicht sehr gemütliche Reise. Dabei hatten wir eigentlich Glück, was den ersten Bus innerhalb der ersten vier Stunden betrifft: nur neun, zehn Leute saßen drinnen, da hätte locker das Doppelte reingepasst, Merle konnte sich sogar hinlegen.
Als es dann mehr und mehr Leute wurden, war es mit der halben Entspannung freilich vorbei, das Umsteigen in Sokodé musste auf einmal sehr schnell passieren, gerade so konnte ich mich vor dem Verhungern retten, indem ich im Vorbeirennen ein Brot kaufte und dann zuckelten wir weiter, diesmal die gesamte Zeit schön aneinander gequetscht, bis nach Atakpamé. Zum Glück gab es die Müdigkeit, die uns die Reisezeit gefühlt ein wenig verkürzte.
In Atakpamé kauften wir ein Eis, das war sehr erfrischend, ehe wir dann etwa anderthalb Stunden über die abenteuerliche Straße in Richtung Süden fuhren. Als wir unserem ersten Einsatzdorf näher und näher kamen, begann es ein wenig in mir zu kribbeln und ich erinnerte mich aus irgendeinem Grund ganz an den Anfang unseres Freiwilligenjahres. Auf einmal, gerade waren wir an dem uns bestens bekannten Ortseingangsschild Anoums vorbei gefahren, standen wir wieder dort, wo wir vor knapp einem halben Jahr zuletzt mit meinen Eltern gewesen waren. Sofort kamen die Kinder auf uns zugerannt riefen zunächst „Yovo, Yovo“ und dann unsere Namen, als sie uns erkannt hatten. Das war ein schöner Moment, auf einmal waren all diese Bekannten Gesichter wieder da, viele etwas weiter oben als noch vor fünfeinhalb Monaten. Und wieder empfand ich dieses eigenartige, leichte Gefühl von der Heimkehr, nicht sehr stark, aber unverkennbar. Hier waren wir zu allererst, Anoum hat uns Afrika und seine Menschen und deren Leben gezeigt. Dieses Dorf ist für immer in unseren Köpfen und Herzen.
Viel geschah nicht mehr. Wir rackerten uns etwa eine Stunde mit den Kindern ab und empfanden das glückselige Gefühl des Wiedersehens, am schönsten war es, wenn die Kinder unsere Namen sagten. Es kamen immer mehr hinzu, erst neugierig-vorsichtig, und dann in Lächeln ausbrechend, auf uns zulaufend – genau das der Moment, in dem sie uns wiedererkannten. Alle wollten von uns hochgenommen werden, auch jene, die dafür eigentlich schon zu groß waren, und umstanden uns in dicken, lärmenden Trauben.
Nur mühsam konnten wir uns befreien und bauten unsere Schlafstätten auf. Verwunderlich: Heute, zur letzten Nacht unserer Reise vor unserer Rückkehr nach Lomé, war es zum ersten Mal nötig, dass wir unser Moskitonetz aufbauen.
Wir mussten leider feststellen, dass einige Personen, auf die wir uns besonders gefreut hatten, gegenwärtig nicht im Dorf waren. Dazu zählten die kleine Abiguelle, die Rebellin unter den Kindern und unser Liebling, außerdem Togbé vi, der „kleine Alte“, der wirklich jeden Tag unseres Aufenthaltes in Anoum bei uns gewesen ist, und diee „Femme Costeau“, die „stämmige Frau“, die uns jeden Morgen Gaou, frittierte Bohnenmehl-Bällchen, machte. Dafür aber konnten wir Papa Exossé begrüßen, oder vielmehr er uns, und auch Papa Davide, mit dem wir immer viel zu tun hatten, war bei uns und brachte uns sogar ein wenig Gaou zum Abendbrot. Merle ging bald ins Bett, vor allem, weil sie neben ihrer Müdigkeit auch noch unter Rückenschmerzen und Fieber litt. Das musste von der Reise kommen, da es ihr sonst die ganze Zeit gut gegangen war. Auch ich folgte nicht viel später ihrem Beispiel.
Besuch des Marktes in Adeta, Rückkehr nach Lomé
Unser Gastspiel in Anoum fiel denkbar kurz aus. Ich frage mich immer noch, ob das gut war oder eher schlecht. Ich tendiere fast zu Ersterem, da wir so zwar die meisten noch einmal sehen konnten, uns allerdings nicht wieder an das Leben mit dem Anoumu to ou – dem Anoum-Volk – gewöhnten. Wir standen also jeder zu unserer Zeit auf, ausnahmsweise war das bei Merle und mir mal in etwa gleichzeitig. Dann frühstückten wir, was gestern von Brot und Dapaong-Vongâche noch übrig geblieben war und machten den Plan für den Tag. Wir einigten uns recht schnell darauf, noch den Markt in Adeta zu besuchen, da Serge noch einige Besorgungen zu machen hatte und auch wir gern ein letztes Mal jenen Markt sehen wollten, den wir in unseren ersten vier Togo-Monaten wöchentlich besucht hatten. Die Folge war jedoch, dass wir uns mit unserer Tour durchs Dorf, bei der wir zur selben Zeit Hallo und Tschüss sagen wollten, ein wenig beeilen mussten, um früh genug loszukommen.
Viele Leute gab es ncihit zu besuchen, denn auch der Chef war nicht anwesend, und Papa Exossé sowie Papa Davide hatten wir ja schon viel um uns gehabt. Zudem erfuhren wir, dass sich die Dorfältesten gerade bei einem von ihnen versammelt hatten, also richteten wir uns einfach dorthin. Nach einigen Momenten erhielten wir die Erlaubnis einzutreten, und dort sahen wir dann auf einmal Leute, die wir noch nie gesehen hatten. Aber das tat wenig zu Sache, wir gingen ein letztes Mal zur traditionellen Begrüßung in Anoum über. Zunächst war es an uns, den sitzenden Alten die Hand zu schütteln, ehe wir die traditionellen Phrasen „Nde“ – „Nde“, „A humme to“ – „Ullé“, „devio“ – „o fo“, „ni sobbedo“ – „doniso“ „mi a wézon lo“ – „lo“ sprachen. Dann waren die Alten dran, uns die Hand zu schütteln. Erinnerungen kamen hoch.
Zunächst sprachen die Verantwortlichen des Dorfes einige Worte, die Serge dann erwiderte und uns anschließend übersetzte. Es ging um „den guten Wind“, „le bon vent“ der uns hier her gebracht hat. Wir berichteten von unserer Abreise in einigen Tagen und dass wir nicht abreisen konnten, ohne unserem ersten Dorf, unseren Afrika-Lehrmeister, Au revoir zu sagen. Danach sprachen wir ein wenig über das Elektrizitätsprojekt. In einem Gespräch mit Sam und Edih hatten die Dorfältesten bei deren letztem Besuch entschieden, das von meinen Eltern und Freunden gesammelte Geld nicht sofort in einen Elektrogenerator zu investieren, sondern es zunächst auf ein Konto zu legen und zu hoffen, dass es neue Spenden geben wird, um eines Tages „Strom von der Leitung“ ins Dorf zu holen. Dafür gibt es schon Pläne der JSA. Wir versicherten uns hiermit noch einmal dieser Entscheidung und hörten sie noch einmal selbst aus den Mündern unserer Freunde in Anoum. Nun wissen wir, was zu tun ist.
Dies waren die letzten Wehen, wenn man so sagen kann. Wir verabschiedeten uns hier uns jetzt von den Anwesenden in dem Wissen, sie entweder in langer Zeit oder nie mehr wieder zu sehen. Richtig bewusst war uns das aber wahrscheinlich nicht.
Im Anschluss setzten wir uns noch einmal kurz bei Papa Exossé nieder, dessen Haus auf dem Weg lag. Zweck dieser kurzen Zusammenkunft war, dass ich ihm noch das Fernglas schenken wollte, das ein Freund mir als Spende mitgegeben hatte, als ich im Januar zum zweiten Mal Deutschland in Richtung Togo verließ. Er freute sich sehr darüber. Ich hatte es ihm angedacht, da er Jäger ist, und letztlich sogar zwei Buschkühe erlegte. Mit einer Bodenfalle, wohlgemerkt, aber das Fernglas wird ihm beim Beobachten des Tierverhaltens dennoch weiterhelfen, denke ich.
Dann ging alles ganz schnell. Wir bauten in hoher Geschwindigkeit unserer Lager ab und packten unsere Rucksäcke. Auf einmal standen wir an der Straße, ein Moto hatte schon angehalten, und ich sollte aufsteigen. Ich verabschiedete so viele Menschen, wie ich konnte, und wurde dann auf dem Motorradsattel davon gerissen. Es war kein melancholisches Gefühl, irgendwie fühlte ich mich nicht weniger frei als vorher, als ich so über diese bekannten Straßen raste und noch einigen Bekannten in Tsavie, dem Nachbarort, winkte.
Als ich in Adeta ankam, erkannte mich sofort der Schneider wieder, bei dem wir in unserer Anoumer Zeit unsere Sachen hatten machen lassen. Er freute sich ehrlich über das Wiedersehen und bot mir von alleine an, dass wir unsere Sachen bei ihm verstauen könnten. Als Merle wenig später auf dem Moto heran rauschte, machte ich ihr sofort ein Zeichen, sie könne hier anhalten. Also ließen wir alle, Serge, Momo, Merle und ich unsre Dinge hier und gingen dann mit den guten Wünschen des Schneiders auf den Markt. Dort schlenderten wir eine Weile herum, kauften Bananen und anderes, ehe ich mich absetzte, um Vongâche zu kaufen. Ich hatte gedacht, dass ich das ewige „Was hast du mir mitgebracht“-Fragen bei Edih zu Hause mit einem schönen Vongâche besänftigen würde. Der Käse war schnell gefunden und auch deutlich billiger, als an anderen Orten.
Als wir uns wieder gefunden hatten, aßen wir zusammen in einer kleinen Fufu-Bar – ich Kom, die anderen Fufu. Merle ging es nicht so gut, weswegen sie nur Ananas aß.
Beim Schneider holten wir uns unsere Sachen zurück und verabschiedeten uns von dem im Grunde netten Mann, der mich damals sicherlich nicht all zu sehr über den Tisch gezogen hatte. Auch von Momo mussten wir jetzt Abschied nehmen, aber dieser versicherte, vor dem zehnten noch in Lomé einzutreffen, weswegen es also noch keine Endgültigkeit war.
Wir hatten das Glück, ein kleines, recht preiswertes Auto nach Lomé gefunden zu haben, mit dem wir nur aufgrund der permanenten Stopps, die der Chauffeur für Einkäufe oder Familienbesuche nutzte, länger als dreieinhalb Stunden bis in die Hauptstadt brauchten.
Merle wollte nur nach Hause, also tat sie das mit Serge. Ich verabschiedete mich für heute und machte mich auf zu Edih. Der saß vor seinem Zimmer und las einen kleinen Zettel – lernen für die Prüfungen, die morgen beginnen würden. Wir unterhielten uns eine Weile, ehe ich mich entschloss, ihm einen Glückscent für seine Prüfungen zu geben, der würde ihm Glück bringen.
Heute Abend erfuhr ich durch ein Telefonat Edihs mit den eigentlich für diese Nacht geplanten Freiwilligen, das ich mithörte, dass diese ihr Flugzeug nicht hatten nehmen können, da es von Air maroque überbucht war. So müssten sie das nächste Flugzeug abwarten, unsicher, wann das sein wird.